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Schmieden: Die technische Wiege der Metallverarbeitung

  • Autorenbild: Vogelwaid GbR
    Vogelwaid GbR
  • 29. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Die Schmiedekunst ist das Ur-Handwerk des Metallbaus. Von der manuellen Bearbeitung in der Frühzeit bis zu den hochautomatisierten industriellen Prozessen von heute haben die fundamentalen Prinzipien des Schmiedens ihre Gültigkeit bewahrt. Dieses Handwerk ist eine meisterhafte Kombination aus Physik, Materialwissenschaft und Handwerkskunst. Wir tauchen in die technischen Details ein, um zu verstehen, wie die Schmiedekunst die moderne Metallverarbeitung bis in die kleinsten Details beeinflusst hat.


Schmieden von Stahl am Amboss

Das technische Prinzip: Formgebung durch Gefügeveränderung


Schmieden ist ein formgebendes Fertigungsverfahren, das auf den Prinzipien der Plastizität von Metallen beruht. Im Gegensatz zum Gießen wird das Metall nicht geschmolzen, sondern in einem festen oder teigigen Zustand bearbeitet.

  • Die Schmiedetemperatur: Der Prozess findet bei Temperaturen statt, die über der Rekristallisationstemperatur, aber unterhalb der Schmelztemperatur des Metalls liegen. Für Stahl liegt dieser Bereich typischerweise zwischen 800 °C und 1.250 °C. Bei dieser Temperatur wird das Material plastisch, das heißt, es kann ohne Rissbildung permanent verformt werden.

  • Die Gefügeveränderung: Dies ist der entscheidende technische Vorteil des Schmiedens. Durch die gerichtete mechanische Bearbeitung mit dem Hammer oder der Presse werden die Kristallkörner des Metalls entlang der Hauptverformungsrichtung gestreckt. Dieses Phänomen, bekannt als Gefügeverfeinerung oder Kornverfeinerung, führt zu einer signifikanten Verbesserung der mechanischen Eigenschaften:

    • Festigkeitssteigerung: Die Deformierung der Körner erhöht die Härte und Zugfestigkeit des Materials.

    • Steigerung der Zähigkeit: Durch die Ausrichtung der Kornstruktur wird die Duktilität (die Fähigkeit, sich plastisch zu verformen, bevor Risse entstehen) verbessert.

  • Historische Anwendung: In der Vergangenheit nutzten Schmiede diese Techniken intuitiv. Durch wiederholtes Erhitzen und Hämmern, das sogenannte Reckschmieden, stellten sie sicher, dass Schwerter und Werkzeuge nicht spröde waren, sondern eine Kombination aus Härte für die Schneide und Zähigkeit für die Klinge besaßen.


Die Weiterentwicklung: Vom Hammer zur Presse


Mit der industriellen Revolution wurde das manuelle Schmieden durch maschinelle Verfahren ersetzt, die jedoch auf denselben physikalischen Prinzipien beruhen.

  • Freiformschmieden (heute): Dieses Verfahren wird heute in der Industrie für die Herstellung großer Einzelteile oder Kleinserien eingesetzt (z. B. Turbinenwellen oder große Getriebeteile). Anstelle des Hammers wird eine hydraulische Presse oder ein Fallhammer verwendet. Das Prinzip bleibt jedoch dasselbe: das Material wird ohne eine Matrize in Form gebracht.

  • Gesenkschmieden: Dieses Verfahren ist die direkte Weiterentwicklung des traditionellen Handwerks. Hierbei wird das heiße Metall in eine Matrize (das Gesenk) gelegt und durch einen Schlag oder Druck in die endgültige Form gepresst. Der entscheidende Vorteil ist die hohe Präzision und die Reproduzierbarkeit der Teile. Dies ist der Grundstein für die Massenproduktion von komplexen Bauteilen wie Kurbelwellen, Pleuelstangen oder Zahnrädern.


Der Einfluss auf die moderne Metallverarbeitung


Die Lehren des Schmiedens sind in vielen modernen Prozessen verankert:

  • Wärmebehandlung: Der Schmied wusste, dass das Glühen des Materials nach der Bearbeitung Spannungen abbaut und die Struktur verändert. Dieses Wissen ist die Grundlage für moderne Wärmebehandlungsverfahren wie das Glühen (zum Abbau von Eigenspannungen) und das Anlassen (zur Einstellung der Härte).

  • Schweißnaht-Optimierung: Die beim Schweißen entstehende Hitze kann zu einer Grobkornbildung führen, die die Festigkeit mindert. Das Wissen über die Gefügeveränderung erlaubt es uns, die Schweißparameter so einzustellen, dass die Wärmeeinflusszone minimiert wird.

  • Qualitätskontrolle: Die beim Schmieden entwickelten Verfahren zur Materialprüfung (z. B. der Hammerschlagtest) sind die Vorläufer moderner zerstörungsfreier Prüfmethoden, die heute in der Industrie Standard sind.


Die Schmiedekunst ist weit mehr als ein nostalgisches Handwerk. Sie ist die technische Grundlage, auf der der gesamte moderne Metallbau aufbaut. Die Prinzipien der Materialformung, der Gefügeveränderung und des Verständnisses für die physikalischen Eigenschaften von Metallen, die der Schmied über Jahrhunderte entwickelt hat, sind bis heute die Grundlage für alle modernen Fertigungsverfahren und die Sicherung der Produktqualität.

 
 
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